In unserem Alltag tun wir vieles, ohne uns darüber Gedanken zu machen, warum wir es genau so tun. Wir denken häufig, ohne uns zu fragen, weshalb wir genau dies oder jenes denken. Wir stützen uns dabei auf Annahmen und Haltungen, die wir nicht weiter hinterfragen. Dabei halten wir an spezifischen Denkstrategien fest. In den meisten Fällen funktionieren wir auf diese Weise recht gut und effizient. Die entsprechende Gesprächsform ist die Diskussion. Hier versuchen wir, unseren Standpunkt zu vertreten, zu verteidigen und andere davon zu überzeugen. Wir bewerten die Standpunkte anderer im Kontext unserer eigenen Argumente und Denkmuster. Wir treten als Wissende auf und allzu oft möchten wir auch einfach Recht haben.
Der Quantenphysiker David Bohm (1917 – 1992) ein transdisiziplinärer Wissenschaftler, ein ganzheitlicher Denker, sah die Notwendigkeit einer Gesprächsform die zusammenführt, verbindet und integriert: Eine neue Art der Kommunikation mit anderen Qualitäten im Gegensatz zur Diskussion die sich oft kämpferisch und wenig kooperierend gestaltet. Für ihn ist Dialog eine Form gemeinsamen Denkens in einer Gruppe gleichberechtigter Menschen, die ihre Gedanken miteinander teilen, sich zuhören, die Meinung der anderen achten und nicht bewerten.
Beim Dialog geht es darum, dem Denken auf die Spur zu kommen, sowohl dem individuellen wie dem kollektiven . Wir fragen, wie andere Menschen zu ihren und wir selber zu unseren Gedanken kommen. Statt Wissende sind wir Lernende: Wir wollen etwas über uns und andere lernen. Zu diesem Zweck üben wir uns darin, wirklich zuzuhören. So ergibt sich ein neuer Raum, in dem neue Gedanken Platz haben, in dem wir gemeinsam denken, in dem für komplexe Probleme überraschende Lösungen gefunden werden können. Beim Dialog kann neues entstehen, was vorher noch nicht da war.
- Der Dialog ergänzt als Gesprächsform die Diskussion. Er unterstützt Gruppen über die individuellen Meinungen und Annahmen hinweg und entwickelt Lösungen für Probleme und für einen konstruktiven Umgang miteinander.
- Das gemeinsame Denken steht im Vordergrund. Die vielfältigen, fragmentarischen und bisweilen widersprüchlichen Erfahrungen und Sichtweisen der einzelnen Teilnehmer bleiben gleichwertig nebeneinander stehen. Jeder hat etwas zu sagen!
- Dialog als Form des lebendigen Gedankenaustausches setzt viel Kreativität frei. Er ist eine Gesprächsform, die wir in allen Lebensbereichen nutzen können um ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzielen, bedeutende Erneuerungsprozesse in Gang zu setzen, Konflikte anzugehen und aufzulösen. Es ist ein Weg des Lernens, der Begegnung und der Hoffnung.
- Der Dialog als Gesprächsform steht im Gegensatz zur Debatte, zur Diskussion, bei denen es darum geht zu gewinnen, eine Position zu verteidigen und zu trennen.
- Zuhören: sich selber zuhören und den anderen zuhören. Was ich höre lasse ich auf mich wirken.
- Respektieren: Ich anerkenne die Andersartigkeit der Dialogmitglieder. Ich bemühe mich die Welt aus ihrer Perspektive zu betrachten. Ich verzichte auf jede Kritik und Wertung.
- Suspendieren: Ich lege meine Annahmen und Bewertungen offen. So können sie von mir und den andern wahrgenommen und weiter erkundet werden.
- Von Herzen sprechen: Ich spreche nicht von der Welt, sondern von meiner Welt . Die Wurzeln meines Denkens und Fühlens sind mir wichtig und ich formuliere aktuelle Gedanken.
Debatte/Diskussion | Dialog | |
---|---|---|
Haltung | Wissen | Herausfinden |
Ziel | Eine Position verteidigen | Neue Möglichkeiten erkunden |
Geste | Antworten - Beweise suchen | Fragen - Zuhören |
Sozialer Modus | Gewinnen oder verlieren | Miteinander teilen |
Hierarchie | Ungleich | Gleich |
Status | Macht | Respekt |
Motiv | Eigeninteresse | Gemeinwohl |
Erkenntnisfeld | Verengung - Zielorientierung | Erweiterung - Prozessorientierung |
Hartkemeyer, Martina, Johannes F., Tobias; Dialogische Intelligenz, 2016, S. 58